
Wenn ich nach einem Einsatz nach Hause komme, fragt ihr mich so oft, ob es nicht schwierig ist, von einer Realität in die Andere zu wechseln. Ich glaub nach 8 Einsätzen, habe ich mich daran gewöhnt, an immer diesen ersten Augenblick.
Die Freude, auf die altbekannten Gesichter, die einen ganz zappelig werden lässt. Dieser Moment, wo der Boden unter den Füßen sich wieder fest anfühlt, du die Augen schließt, durchatmest und wenn du sie öffnest, schaust du auf deine Zehen, deine Beine, deine Arme und alles ist noch dran, voll funktionsfähig.
Das ist der Moment, in dem die Erleichterung sich breit macht, begleitet von dem ersten Anflug von Traurigkeit, denn du erinnerst dich an diejenigen, denen dieses Gefühl verwehrt bleiben wird.
Im ersten Moment, fühlt es sich an, wie ein Zurückkommen in eine Realität, die einem vertraut geblieben ist, ist es doch die Realität, in der ich groß geworden bin. Eine Realität die so selbstverständlich scheint.
Im zweiten Moment, kommt es dann zu dem schmerzhaften Bruch.
Jedes Mal zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt, in einer unterschiedlichen Reihenfolge, wenn die Gegenwart, mit all ihrer Ehrlichkeit zuschlägt und sich in banalen Alltäglichkeiten manifestiert.
In Österreich, dauert es nicht länger als 10-15 Minuten, bis ein Rettungswagen, nach Erstalarmierung eintrifft. Ich glaube, ich liege mit 10-15 Minuten sogar noch daneben, denn Ausrückzeit auf der Wache, sind keine 3 Minuten, natürlich kalkuliert sich die Anfahrtszeit noch dazu. Damit alle Zahnrädchen zusammenspielen, werden Szenarien geübt und trainiert. Sanitätslehre, Technik, Equipment, zur maximalen Versorgung von Menschen mit akuten medizinischen Problemen. Immer ist alles griffbereit und woran es manchmal mangelt, ist ein bisschen mehr Routine und Selbstvertrauen. Aber seit nicht böse um die fehlende Routine, unser System ist einfach mittlerweile so gut, dass wir einfach nicht allzu oft die Theorie in die Praxis umsetzen müssen. Von der Bergung bis zum Abtransport, eine Kette, die durch das funktionieren jedes einzelnen (Mit)-Gliedes ihre Stärke erfolgreich unter Beweis stellt.
Ich kann mich an eine Situation in meinem letzten Einsatz erinnern, in der mir so schmerzhaft vor Augen geführt worden ist, wie sich die Auswirkungen manifestieren, wenn es keine Kette gibt, noch nicht einmal einen seidenen Faden. Wie es sich anfühlt, wenn du konfrontiert bist, mit einer tödlichen Stille, in der du deinen eigenen Herzschlag hören kannst und das Rauschen des Adrenalins in den Ohren. In der du dir nichts sehnlicheres wünscht, als du hättest diese Kette zur Verfügung. RTW, NEF, Helikopter, Feuerwehr, Polizei, das ganze Equipment und die Menschenpower.
Jede/r an seinem / ihrem Platz, mit seiner / ihrer Aufgabe, ein funktionierendes Teil eines Ganzen, in der Lage ein Sicherheitsnetz aufzuspannen und Menschenleben aufzufangen.
Dieser Moment in dem du keine andere Möglichkeit hast, als deine Tränen geballt zu einem Kloß runterzuschlucken, um nicht daran zu ersticken, denn für „was wäre, wenn“, „Mensch, hätten wir doch bloß“, ist kein Raum, denn den gibt es noch nicht einmal, um schwerverletzte Menschen, würdevoll sterben zu lassen.
Während in Österreich das Team die bestmögliche Versorgung sicherstellt und den schnellsten Abtransport organisiert, sammelst du noch deine Gedanken, denn du bist gefragt zu handeln, umringt von Menschen, die anstatt eines medizinischen Rucksacks, eine AK-47 im Anschlag halten.
Während in Österreich, die Anmeldungen für den Schockraum laufen, versuchst du zuerst zu eruieren, was macht Sinn, wer braucht was, wer kann was und wo fängt die rote Linie deines Gegenübers an.
Die Zeit, sie läuft davon und das Recht auf eine medizinische Versorgung wird zu einem Privileg, für welches du, dich als verantwortliche Projektkoordinatorin, mit deinem Gegenüber streiten musst.
Nach viel zu langer Zeit und der dadurch potentiell verschuldeten Selektion von Menschenleben, kommt endlich ein Ambulanzauto an. Mit schnellen Schritten und einem Anflug von Erleichterung öffnest du die Tür, noch während des laufenden Motors.
Nichts -. –
Eine verstaubte Trage, die wirkt wie aus einem vorigen Jahrhundert. Rostige Gefäßhalterungen, aber keine Sauerstoffflasche, kein Verbandsmaterial, kein Beatmungsbeutel und keine Maske. Eine Spende von Übersee, heute im Besitz eines Menschen, der sich mit den Fahrten seinen Lebensunterhalt verdient, es versteht sich ganz von selbst, dass dieser über keine Erste-Hilfe Ausbildung verfügt, nicht einmal ein Paar Handschuhe.
Wer nach diesen 2.5 Stunden immer noch lebt, wird, nach langen Verhandlungen, abtransportiert. Aber dann auch nur, die augenscheinlich am schwersten Verletzten, dabei zählt nur was äußerlich sichtbar ist.
Nach 6 Stunden ist der Einsatz beendet.
Du debriefst das Team und versuchst dabei, die Fassung zu bewahren. Dann gehst du auf dein Zimmer, setzt dich hin, atmest einmal tief durch, zweimal.
Es ist wie es ist, sagst du zu dir selbst, zumindest haben wir versucht, etwas zu ändern und solange es Menschen gibt, die den Mut finden zu versuchen, den status quo zu verändern, so lange finde ich den Sinn. Jeder Einsatz endet irgendwann, von überall, nimmst du etwas mit. Traurigkeit und Wut, gehören manchmal auch mit ins Gepäck.
Es ist eben wie es ist, auch wenn es nicht so sein sollte.
In Erinnerung an Maria Hernandez (Emergency Projekt Koordinatorin), Yohannes (Projekt Koordinator Assistent) & Tedros (Fahrer) und all jene, die sich bis zu ihrem letzten Atemzug, ihren Idealismus nicht nehmen lassen.
Krieg bringt nur Leid, immer und überall.